„Nichts ist wirksamer als gewaltfreier Widerstand…“ so beginnt der Klappentext dieses Buches. Und das ist auch das Motto von Srdja Popovic (*1973 in Belgrad), den Mit-Gründer der serbischen Demokratiebewegung Otpor! (=Widerstand) der schließlich der Sturz von Präsident Milosevic gelang.
Und doch ist dieses Buch, wie auch sein Autor, in der Friedensbewegung umstritten. Otpor! wurde von westlichen Stiftungen entscheidend unterstützt (u.a. den Open Society Foundations des US-Milliardärs George Soros). Das macht sie für manche verdächtig. Nach dem Sturz des Präsidenten und der Konsolidierung des parlamentarisch-demokratischen Systems in Serbien gründete Popovic CANVAS (Centre for Applied Nonviolent Action and Strategies), ein Politikberatungsinstitut, das u.a. Aktivisten aus der Ukraine, Ägypten (Jugendbewegung), Tunesien geschult hat. Die Methoden des gewaltfreien Umsturzes waren in den genannten Fällen erfolgreich, wie wir wissen. Aber was kam danach? Warum konnte sich keine demokratische Zivilgesellschaft etablieren? Popovic analysiert auch das Scheitern von Bewegungen. Im Falle Ägyptens wurde der Weg (Sturz des Diktators) mit dem Ziel (Demokratie) verwechselt, es gab keine gemeinsame positive Utopie. Die Studierenden in Peking 1989 hingegen versteiften sich auf Alles-oder-Nichts und waren nicht bereit, Kompromisse mit der Staatsführung einzugehen und schrittweise vorzugehen. In die Enge getrieben, schlug der Staat blutig zurück.
Die Hälfte der gewaltfreien Aufstände scheitert, das haben auch schon andere wissenschaftlich erforscht. Gewaltsame Aufstände scheitern aber in wesentlich höherem Maße. (Popovic bezieht sich mehrfach auf die Studie von Chenoweth und Stephan, die wir auch schon im Friedensmuseum dargestellt haben, siehe unser Youtube-Kanal).
Wer verstehen will, wie gewaltfreier Widerstand im 21. Jahrhundert effektiv funktioniert, muss dieses Buch lesen!
Popovic macht es seinen Lesern einfach mit einem sehr flotten, humorvollen Stil, illustriert mit vielen Bildern. „Das funktioniert bei uns nicht“ heisst gleich das erste Kapitel, „mit Lachen zum Sieg“ ein weiteres. Ist das jetzt zu populär? Wer Wissenschaftssprache vorzieht, kann (und soll!) ja Gene Sharp lesen, dessen Theorien hier umgesetzt wurden. Dieses Buch, „Protest!“, versteht auch die breite Masse. Und darauf kommt es in diesem Fall an.
Srdja Popovic + Matthew Miller: Protest! FISCHER Taschenbuch 2015, 16,99