
Marco Bülow (*1971) saß als direkt gewählter Abgeordneter 19 Jahre im deutschen Bundestag – für die SPD, aus der er 2018 austrat. Er arbeitete als Umweltpolitiker mit Spezialgebiet erneuerbare Energien. Sein Buch ist die Abrechnung mit einem System, in dem die Macht der gewählten Volksvertreter immer stärker durch die von Lobby-Verbänden ersetzt wird. Genau beschreibt er, wie auch er als frisch gewählter Abgeordneter von der „Fossil-Lobby“ umgarnt wurde. „Wohlfühl-Lobbyismus“ nennt er das. Abgeordnete werden bei ihrer Eitelkeit gepackt („so wichtig bin ich schon“), bekommen tolle Einladungen, lernen interesante Menschen kennen – alles vermittelt von Lobby-Organisationen. Diese haben direkten Zugang zum Bundestag mit „Hausausweisen“ (erst nach einer Klage und durch Gerichtsurteil mussten sie offengelegt werden) – 2019 gab es mehr Lobby-Hausausweise als Abgeordnete!
Dieser „Wohlfühl-Lobbyismus“ fördert zwar die Korruption, es geht aber auch ohne Strafrechtsverstoß: Gesellschaftliche Lobbytermine kosten viel Zeit, die zur inhaltlichen Arbeit fehlt. Deswegen sind die einzelnen Abgeordneten oft so schlecht informiert – denn zum Argumentieren ist ja die Lobby da, deren Argumente sie gerne aufgreifen.
Beispiele? Ein autokratisch-autoritär regiertes Land überfällt den Nachbarstaat, wo sich eine tatsächliche Demokratie entwickelt. Massenvertreibungen, Landraub sind die Folge. Der Deutsche Bundestag – schweigt. Denn es handelt sich nicht um Russland, sondern um Aserbeidschan! Aserbeidschan hat viel Öl, und die fossile Lobby hat wieder mal ganze Arbeit geleistet – so wie übrigens auch bei der Fußball-WM in Katar. Beide Öl-Staaten „durften“ auch die COP ausrichten, wo es um den weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien gehen sollte, um das Klima zu retten. Wundert sich noch jemand, dass nichts daraus wurde?
Als UmweltaktivistIn könnte man verzweifeln. Bülow tut das nicht, sondern nimmt sich Camus‘ Sisyphos zum Vorbild: In steter Revolte gegen die korrupten Verhältnisse können, nein müssen wir von unten die Demokratie retten.
Das Buch ist im Westend-Verlag erschienen und kostet 20 €.