„Ziviler Ungehorsam gegen die Nuklearrüstung in Mutlangen 1983-1987“ heisst der etwas sperrige Untertitel dieses dicken Buches (ca. 460 Seiten). Es handelt sich um die umgearbeitete und gekürzte Dissertation des Autors (2019), eines Zeithistorikers mit Schwerpunkt Historische Friedensforschung. Entsprechend hoch darf der Anspruch sein. Seine wesentliche Quelle waren 23 „Zeitzeugeninterviews“, mit ehemaligen Blockierern, mit der „Dauerpräsenz“ in der Pressehütte wie mit dem „bürgerlichen“ Verein „Friedens- und Begegnungsstätte“, aber auch mit Anwohnenden und Gemeindevertretern. Wer die Zeit, wie die Rezensentin, aktiv miterlebt hat, ist froh über die Fülle des Materials, froh, dass einige eigene Erinnerungen wieder aufgefrischt oder auch zurechtgerückt werden. In diesem Sinne wünsche ich allen, die jemals in Mutlangen blockiert haben, das Buch in die Hand zu nehmen und einfach darin zu suchen und sich selbst wiederzufinden. Aber das ist natürlich nicht der Hauptzweck des Buches! Der liegt in der genauen Analyse des – durchaus unterschiedlichen – Zivilen Ungehorsams der verschiedenen Gruppen und seiner juristischen Aufarbeitung. Heute, wo wir mitten in einer neuen Welle des Zivilen Ungehorsams stehen, diesmal gegen die drohende Klimakatastrophe, ist das natürlich höchst aktuell. Ist eine Sitzblockade Nötigung? Ist sie verwerflich und damit strafbar? Insgesamt zweimal hat das Bundesverfassungsgericht darüber entschieden, beim ersten Mal (1986) kam es zum Patt, beim zweiten Mal (1995) lehnte die Mehrheit der Richter die gängige Rechtssprechung ab und die Blockierenden bekamen Jahre später eine Entschädigung für Geld- und Gefängnisstrafen. Es sieht so aus, als ob das oberste deutsche Gericht noch einmal darüber zu befinden hätte… Ein Grund mehr, in diesem Buch zu schmökern! das Buch ist im Campus-Verlag erschienen und kostet 45€. In unserer Bibliothek trägt es die Signatur RO-5048.
Richard Rohrmoser: Sicherheitspolitik von unten