Am 23. Februar 1915 stand in der Wiener „Neue Freie Presse“ in einer Notiz:
Ich habe meinen Sohn zum Krieger nicht erzogen,
Ich zog ihn auf als Stolz und Freude meiner alten Tage.
Wer wagt es, ihm die Waffe in die Hand zu drücken,
Damit er einer andern Mutter teures Kind erschiesst?
Es ist die höchste Zeit, die Waffen fortzuwerfen.
Es könnte niemals einen Krieg mehr geben,
Wenn alle Mütter in die Welt es schreien würden:
Ich habe meinen Sohn zum Krieger nicht erzogen!
Wie kam es, dass dies pazifistische Gedicht veröffentlicht wurde und was waren die Folgen?
Am 23. Februar 1915 stand in der Wiener Zeitung Neue Freie Presse folgende Notiz:
„Das Lied der Mütter gegen den Krieg. In New York wird jetzt in allen Varietes, Musikhallen, auf der Strasse und im Salon ein Protestlied gegen den Krieg gesungen, das in deutscher Übersetzung lautet…“
In seiner Nummer vom 2. März 1915 druckte der Brünner „Volksfreund die Notiz ab. Aus dem Brünner Blatt übernahm sie die „Volkswacht“ in Mährisch-Schönberg in ihre Nummer vom 5. März. Die Notiz wurde nirgendwo beanstandet. Der Beamte der Bezirkskrankenkasse Freiwalden, Karl Langer, schrieb das Gedicht ab, machte auf der Schreibmaschine acht bis zehn Abrüge, von denen er an Frauen, die in die Bezirkskrankenkasse kamen, einige verteilte.
Die Behörde erfuhr davon. Karl Langer wurde sofort verhaftet und wegen Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe vor das Landwehrdivisionsgericht Krakau in Mährisch-Ostrau gestellt. Nach diesem Paragraphen macht sich der Störung der öffentlichen Ruhe schuldig, wer „zum Ungehorsam, zur Auflehnung oder zum Widerstande gegen Gesetze, Verordnungen (…) auffordert, aneifert oder zu verleiten sucht.“ Das Landwehrdivisionsgericht erkannte Langer für schuldig und verurteilte ihn – zu welcher Strafe? Zur Strafe des Todes durch den Strang! Im Gnadenweg wurde vom zuständigen Kommandanten die Strafe auf fünf Jahre schweren Kerkers herabgesetzt. (Wiener Arbeiterzeitung vom 26. Mai 1917.)
Dies Zeitzeugnis fand sich im Band: „So war der Krieg! Ein pazifistisches Lesebuch“ Herausgegeben von S. D. Steinberg, Raschers Jugendbücher, Band 5, Zürich 1919.
(also diesmal nicht aus Frieds Kriegstagebuch)