Bern, 20. Juli.
Der «Vorwärts» veröffentlicht (14. Juli) einen Artikel über «Pazifismus und Sozialdemokratie». Er verwahrt sich zunächst, dass Sozialdemokraten, die die Auffassung vertreten, dass zur Grundlage einer künftigen Regelung der Beziehungen der Völker zueinander ein internationaler Rechtszustand geschaffen werden müsse, von andern Sozialdemokraten als «Pazifisten» verspottet werden. Hier rächt sich die frühere Haltung der offiziellen Sozialdemokratie gegenüber dem Pazifismus, der ihr in ihrer Gesamtheit als eine sogenannte bürgerliche Bewegung lächerlich und verachtenswert erschien.
Der «Vorwärts», der sich gegen die Verächter in den eigenen Reihen verwahrt, sagt dazu,
«dass es der Sozialdemokratie ehedem gar nicht eingefallen ist, die von den Pazifisten vertretenen Ideen selbst für utopisch und undurchführbar zu erklären. Alles was vom Pazifismus erstrebt wurde, die Rüstungseinschränkung, internationale Schiedsgerichte, der Ausbau des Völkerrechts … lag durchaus auf der Linie dessen, was auch die Sozialdemokraten durchzusetzen suchten, wenn auch mit andern zuverlässigeren (?) Mitteln».
Das ist in der Hauptsache richtig, doch ist die Erkenntnis neu, und wurde vor dem Krieg seitens der Sozialdemokratie niemals angewandt. Wie oft habe ich betont, dass der Pazifismus an sich weder bürgerlich noch sozialistisch, sondern Wissenschaft ist, ein Zweig der Soziologie, dass es jedoch verschiedene Propagandaarten, Betätigungsmethoden der pazifistischen Erkenntnis in der politischen Praxis gebe. …
Es wird in Zukunft anders werden. Nicht nur weite bürgerliche Kreise werden die Lehren des Pazifismus als Richtlinien einer praktischen Politik aufnehmen, auch die Sozialdemokratie wird einsehen, dass die Lehre von der zwischenstaatlichen Organisation ebensowenig rein bürgerlich sein kann, wie etwa die Geburtshilfe oder Brückenbaukunde. Sie wird die pazifistischen Forderungen in ihr Programm aufnehmen und öffentlich vertreten.